«Die neue Swissness-Gesetzgebung ist für viele Firmen ein schwieriges und emotionales Thema – da braucht es viel Feingespür»

Interview mit David Stärkle vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE)

von Christof Richard und Michel Meliopoulos

David Stärkle, Rechtsanwalt am IGE

Das IGE ist das Kompetenzzentrum des Bundes in allen Fragen des Geistigen Eigentums und damit die für «Swissness» zuständige Verwaltungsbehörde. In dieser Rolle galt es für das IGE, auf den Sommer 2020 hin ein erstes Zwischenfazit zur revidierten Swissness-Gesetzgebung zu ziehen und herauszufinden, wie sich der Handlungsbedarf seit deren Inkrafttreten entwickelt hat. Dazu wurde Swiss Brand Experts im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens mit einer umfassenden Studie beauftragt. Die Studie sollte die verschiedenen Instrumente und Herausforderungen der Swissness-Rechtsdurchsetzung sowie die daran beteiligten Akteure und ihre Beweggründe analysieren. Darauf aufbauend sollten verschiedene Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzsystems für die Marke Schweiz entwickelt werden.

Wir haben mit David Stärkle, dem Projektverantwortlichen aufseiten des IGE, darüber gesprochen, wie er die Zusammenarbeit mit uns erlebt hat und wie er das Projekt im Nachhinein beurteilt.

Herr Stärkle, kann man Sie als eine Art «Mister Swissness» bezeichnen?

Lieber nicht! Ich bin derzeit zwar die Person beim IGE, die sich am besten auskennt, wenn es um die Swissness-Rechtsdurchsetzung geht, aber es gibt ausserhalb des IGE einige Fachspezialistinnen und Fachspezialisten, die sich mindestens so gut auskennen. Insbesondere aber möchte ich betonen, dass der Schutz von Schweizer Herkunftsangaben eine Teamleistung ist, zu der viele Akteurinnen und Akteure ausserhalb des IGE unverzichtbare Beiträge leisten. Ich bin auch nicht das Gesicht dieses gemeinsamen Efforts. Die Resultate sind es.

Wie würden Sie denn Ihre Rolle respektive diejenige des IGE in diesem Team-Effort beschreiben?

Ich sehe uns weder als Entscheidungs- noch als Ausführungsinstanz, sondern eher als Kompetenzzentrum sowie als Schalt- und Koordinationsstelle. Wir sorgen dafür, dass Informationen und Know-how am richtigen Ort landen und dass die Entscheidungsträger*innen in den Verbänden und Unternehmen effektive Wege und Mittel für Ihre Bemühungen zum Schutz der «Marke Schweiz» finden.

Der Schutz von Schweizer Herkunftsangaben ist eine Teamleistung, zu der viele Akteurinnen und Akteure ausserhalb des IGE unverzichtbare Beiträge leisten. Ich bin auch nicht das Gesicht dieses gemeinsamen Efforts. Die Resultate sind es.

Welche Rolle spielt die von uns durchgeführte Studie in diesem Zusammenhang?

Der Bundesrat musste evaluieren, ob die Gesetzesrevision etwas gebracht hat und ob es allenfalls nötig ist, weitere Anpassungen vorzunehmen. Uns wurde ziemlich schnell klar, dass das Thema der Rechtsdurchsetzung in einer eigenen Studie untersucht werden muss und wir haben das entsprechend beantragt. Es war für uns auch wichtig, besser zu verstehen, wie die Rolle des IGE – die durch die Gesetzesrevision ja erweitert wurde – von den privaten Akteur*innen wahrgenommen wird. Wir brauchten eine Standortbestimmung, um die nächsten Schritte planen zu können.

Was betrachten Sie rückblickend als Schlüsselerlebnisse in der Zusammenarbeit mit uns?

Rückblickend waren die ersten beiden Meetings entscheidend, um mich zu vergewissern, dass wir uns mit Swiss Brand Experts auf dem gleichen Niveau bewegen können. Es handelt sich hier um ein komplexes, interdisziplinäres Thema mit rechtlichen, politischen und unternehmensphilosophischen Aspekten. Sie werden verstehen, dass man als Fachexperte vor so einem Projekt ein wenig besorgt ist, ob Nicht-Juristen dem Thema gerecht werden können. Der Austausch im Kickoff-Meeting war dann aber sehr produktiv, was mich zuversichtlich gestimmt hat. Rückblickend war es auch sehr wichtig, sich früh im Projekt über den genauen Gegenstand und die Ausrichtung der Untersuchung abzustimmen.

Das Team von Swiss Brand Experts hat meine Impulse immer umgesetzt, bei einzelnen Punkten aber auch dezidiert Gegensteuer gegeben – aus meiner Sicht hat es seine Aufgabe als externe Beratung damit gut erfüllt, schliesslich ist es ja der Zweck eines solchen Projekts, eine externe, unabhängige Perspektive einzubringen.

Gab es auch Aspekte der Zusammenarbeit, die Sie als schwierig empfunden haben?

Für mich war es das erste Projekt dieser Art, und ich musste mir immer wieder die Frage stellen, wie stark ich die inhaltliche Ausrichtung der Untersuchung steuern kann, ohne ihre Unabhängigkeit zu gefährden. Das Team von Swiss Brand Experts hat meine Impulse immer umgesetzt, bei einzelnen Punkten aber auch dezidiert Gegensteuer gegeben – aus meiner Sicht hat es seine Aufgabe als externe Beratung damit gut erfüllt, schliesslich ist es ja der Zweck eines solchen Projekts, eine externe, unabhängige Perspektive einzubringen. Natürlich will ich als Auftraggeber, dass die externen Berater meine Bedürfnisse ernst nehmen. Gleichzeitig wäre es witzlos, sich einfach nur bestätigen lassen. Hier die richtige Balance zu finden ist sicher nicht immer leicht.

War der Entscheid für Swiss Brand Experts richtig?

Ja, und zwar aus drei Gründen, aus denen ich Swiss Brand Experts auch weiterempfehle:

Erstens verfügt Swiss Brand Experts über ein sehr gutes Netzwerk zu Entscheidungsträger*innen und Expert*innen aus verschiedenen Branchen. Das kam der Untersuchung sicher zugute. Ich fand es in diesem Zusammenhang auch gut, dass mit Christian Rohner ein Anwalt an Bord geholt wurde, mit dessen Perspektive ich noch nicht gut vertraut war.

Bei komplexen Themen wie diesem sehe ich keine Alternative zu Tiefeninterviews von der Art, wie sie Swiss Brand Experts führt.

Zweitens hat mich die Herangehensweise von Swiss Brand Experts überzeugt. Es wurden die richtigen Fragen an die richtigen Leute gerichtet. Den Entscheidungsträger*innen wurde in persönlichen Gesprächen auf den Zahn gefühlt. Bei komplexen Themen wie diesem sehe ich keine Alternative zu Tiefeninterviews von der Art, wie sie Swiss Brand Experts führt. Alles andere hätte zu seltsamen Resultaten geführt. Man muss sich vor Augen führen, dass die neue Swissness-Gesetzgebung für viele Firmen ein schwieriges und emotionales Thema ist. Es handelt sich insgesamt um ein ungeheuer politisches Thema. Mit standardisierten Fragebögen wäre da nichts zu holen gewesen. Es brauchte feines Gespür, um zum Eingemachten vorzudringen, ohne sich dabei von einer bestimmten Seite vereinnahmen zu lassen.

Ich wollte einen unvoreingenommenen Blick auf die aktuelle Lage und eine massgeschneiderte Lösung. Das habe ich bekommen.

Drittens ist das Team trotz Vorbefassung mit dem Thema Swissness sehr offen an den Untersuchungsgegenstand herangegangen. Wir hatten mehrere Bewerber für dieses Projekt, auch solche, die sich bestens mit Swissness auskennen. Mir war es wichtig, einen Partner für das Projekt zu bekommen, der zwar thematische Vorkenntnisse hat, sich davon aber nicht zu stark bei der Interpretation der neu erhobenen Informationen beeinflussen lässt. Ich wollte einen unvoreingenommenen Blick auf die aktuelle Lage und eine massgeschneiderte Lösung. Das habe ich bekommen.

Was haben Sie heute, was Sie vor dem Projekt noch nicht hatten?

Die Bestätigung, dass der von uns eingeschlagene Weg richtig ist. Als ich vor sechs Jahren gestartet bin, war das Narrativ in der Wirtschaft ein ganz anderes. Damals herrschte weitherum eine starke Anspruchshaltung gegenüber dem IGE vor: «Das IGE muss…». Diese Stimmen gibt es immer noch, aber das vorherrschende Narrativ ändert sich. Die Studie hat gezeigt, dass sich die Haltungen stärker verändert haben, als ich es erwartet habe. Sie hat zum Vorschein gebracht, dass der rechtliche Schutz von Schweizer Herkunftsangaben trotz aller Schwierigkeiten, die damit einhergehen, ein Anliegen ist, das von vielen wichtigen Akteuren getragen wird.

Überraschend waren für mich insbesondere die Erkenntnisse über den Software-Sektor und andere neue Technologien. Diese Branche wird in den Diskussionen um Swissness häufig nicht berücksichtigt, obwohl dort offenbar sehr gute Leistungen erbracht werden. Es war für mich sehr spannend zu erfahren, wie man in dieser Branche zur Verwendung von Schweizer Herkunftsangaben steht, dass es sogar ein branchenspezifisches Swissness-Label gibt.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Studie für die nächsten Jahre?

Erstens: Dass es die Public Private Partnership «Swissness Enforcement» braucht und dass sie gewollt wird. Sie soll die Speerspitze der Swissness Rechtsdurchsetzung werden.

Zweitens: Dass es noch sehr viel Sensibilisierung braucht, sowohl bei den KMU als auch bei den Verbänden. Es wurde deutlich, dass das Ausmass der Swissness-Missbräuche und der Wert der Swissness an sich vielerorts deutlich unterschätzt werden. Eine unserer Aufgaben in den nächsten Jahren wird sicher darin bestehen, dies zu ändern.

Was würde Sie eigentlich mehr beunruhigen: Wenn die Häufigkeit der Swissness-Missbräuche abnehmen würde oder wenn sie zunehmen würde?

Aus Sicht der Exportwirtschaft wäre es sicher erschreckend, wenn die Missbräuche aufhören würden, denn das wäre ein klares Zeichen dafür, dass Schweizer Produkte/Dienstleistungen drastisch an Beliebtheit eingebüsst hätten. Egal wie gut ich und die anderen Akteure im Zusammenhang der Swissness-Rechtsdurchsetzung unsere Arbeit machen: Missbräuche lassen sich bei der grossen Nachfrage, wie sie aktuell vorzufinden ist, nicht flächendeckend verhindern. Natürlich freuen wir uns nicht, wenn wir Missbräuche entdecken. Aber letztlich geht es darum, die Schweizer Exportwirtschaft zu schützen und die Missbräuche sind ein Indikator für die Beliebtheit von Schweizer Produkten und Dienstleistungen.

Missbräuche sind ein Indikator für die Beliebtheit von Schweizer Produkten und Dienstleistungen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der «Marke Schweiz»?

Ich wünsche mir, dass die Schweiz als Marke die Wertschätzung bekommt, die sie verdient, ob positiv oder negativ, und zwar über alle Branchen hinweg. Und wenn sie positive Wertschätzung bekommt, was in den meisten Bereichen der Fall ist, dann soll sie von dieser Wertschätzung auch profitieren können im In- und Ausland. Es soll sich ausbezahlen, in gute Leistungen zu investieren.

Über das IGE

Das IGE ist das Kompetenzzentrum des Bundes in allen Fragen des Geistigen Eigentums (Patente, Marken, Herkunftsangaben, Design, Urheberrecht) und damit die für «Swissness» zuständige Verwaltungsbehörde. In allen Bereichen des Geistigen Eigentums erfüllt das IGE einen politischen Auftrag: Es bereitet die Gesetzgebung vor, berät die Bundesbehörden und vertritt die Schweiz in internationalen Organisationen sowie gegenüber Drittstaaten. Im Zusammenhang der «Swissness» setzt das IGE in Zusammenarbeit mit anderen Behördenstellen, Verbänden und Unternehmen die Herkunftsangabe «Schweiz» im In- und Ausland durch.

Um die Märkte global zu überwachen und das Know-how zu den länderspezifischen Instrumenten zur Missbrauchsbekämpfung gemeinsam aufzubauen, haben die wichtigsten Akteure in der Rechtsdurchsetzung von Swissness auf Initiative des IGE den Verein «Swissness Enforcement» gegründet. Diese Public-Private-Partnership (PPP) hat seine Tätigkeiten im Frühling 2021 aufgenommen. Mit an Bord sind mehrere Verbände, darunter etwa economiesuisse, Swissmem, Chocosuisse, die Fédération de l’industrie horlogère suisse (FH) und der Schweizerische Kosmetik- und Waschmittelverband (SKW) – sowie namhafte Unternehmen wie etwa Roche und Victorinox.

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