«Heute treffen wir uns mit der Kundschaft auf halbem Weg»

Interview mit Reto Kradolfer, Inhaber von Kradolfer Gipserhandwerk

von Thomas Harder und Michel Meliopoulos

Reto Kradolfer

Vor bald 10 Jahren haben wir für das Unternehmen Kradolfer Gipserhandwerk eine Zielpositionierung sowie Schlüsselinitiativen für deren Realisierung entwickelt. Eine dieser Initiativen sah vor, ein Entwicklungs-, Schulungs- und Beratungsforum aufzubauen, welches die einzigartigen Leistungen von Kradolfer Gipserhandwerk für die Kundschaft direkt erlebbar macht. Das 2017 in Betrieb genommene Gebäude trägt den Namen «Forum eiszueis» und hat es ins Finale des diesjährigen Award für Marketing + Architektur geschafft – eine Auszeichnung zur Würdigung von Projekten, die hochwertige Architektur sinnvoll als Marketing-Instrument einsetzen. Zu diesem Anlass haben wir mit Reto Kradolfer über die Entwicklung seines Unternehmens, über die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts sowie über seine Erfahrungen mit dem neuen Gebäude gesprochen.

Reto, was verbindet Dich mit dem Gipserhandwerk?

Das Gipserhandwerk begleitet mich schon seit ich auf den Beinen stehen kann. Das Anziehende daran ist, dass man etwas gestalten, kreieren kann, mit dem man ein Grundbedürfnis der Menschen befriedigt. Und es ist etwas, worauf man eine Existenz errichten kann. Kradolfer Gipserhandwerk wurde 1961 gegründet und beschäftigt 30 Personen. Das ist an sich schon eine Errungenschaft.

Wir sind in der privilegierten Situation, dass wir in der Bauerei über die Grundbedürfnisse hinausgehen und ins Gestalterische vordringen können.

Wir sind aber auch noch in der privilegierten Situation, dass wir in der Bauerei über die Grundbedürfnisse hinausgehen und ins Gestalterische vordringen können: Mit unseren speziellen Kompetenzen können wir sehr stark Einfluss auf die Atmosphäre von Räumen nehmen. Im Grunde ist das nichts Neues. Wenn wir in die Geschichte schauen, sehen wird, dass das Gipserhandwerk in den Hochzivilisationen der Antike entscheidend war, wenn es darum ging, Räume zu schaffen, in denen sich Menschen gern aufhalten. Es wurden schon damals grossartige Techniken erdacht und realisiert. An diese Kultur der inspirierten Innovation möchten wir anschliessen.

Wo steht Kradolfer Gipserhandwerk heute?

Wir stehen an einem wichtigen Meilenstein. Bisher waren wir vor allem in zwei Geschäftsfeldern tätig: Auf der einen Seite bieten wir die traditionellen Gipserarbeiten wie Verputz und Trockenbau an, ergänzt durch schallabsorbierende Oberflächen und spezifische Dämmungen. Auf der anderen Seite die Restaurierung von historischen Stuck- und Verputzarbeiten. In den letzten Jahren haben wir uns darauf fokussiert, ein drittes Geschäftsfeld aufzubauen: Das Entwickeln und Anbringen von ornamentalen und dekorativen Oberflächen.

Jetzt, da dieser Aufbauprozess auf gutem Weg ist, können wir uns der nächsten Herausforderung widmen, nämlich der Nachfolgefindung. Für mich ist klar, dass wir uns aus dem Bestehenden heraus weiterentwickeln müssen. Wenn ich das Unternehmen an einen grossen Baukonzern verkaufen würde, dann würde ein externer Manager eingesetzt, der unsere Haltung nicht teilt, und das wäre sicher das Ende unseres Wegs. Meine Hoffnung ist darum klar die, dass die zukünftige Inhaberschaft von Kradolfer Gipserhandwerk sich aus bestehenden Mitarbeitenden zusammensetzen wird.

Mit welcher Ausgangslage hast Du es dabei zu tun?

Ich konnte ein junges, neues Kader aus vier Personen entwickeln, zu dem dann noch mein Sohn kommen wird. Mein Wunsch wäre es, dass diese Gruppe in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Führung des Geschäfts spielt. Dieses Jahr haben wir zusammen den Prozess der Nachfolgefindung eingeleitet. Grundsätzlich haben wir dafür eine unglaublich gute Ausgangslage – insbesondere dank einer starken Alleinstellung, die wir in Folge des Positionierungsprojekts mit Swiss Brand Experts mittels verschiedener Initiativen konsequent ausgebaut haben. Die Auftragslage ist derzeit sehr gut, aber es ist sicher nicht so, dass uns die Hütte eingerannt wird und wir uns zurücklehnen können. Die Vergabe von Bauaufträgen ist und bleibt ein schwieriger, fordernder, höchst kompetitiver Prozess. Und auch wenn es gut läuft, ist es kein hochrentables Geschäft. Für eine Person, die sich eine gute Existenz aufbauen will, indem sie ihrer Leidenschaft fürs Handwerk nachgeht, macht das absolut Sinn. Aber niemand, der reich werden will, würde in so etwas investieren. Mir persönlich ist es sehr wohl in dieser Situation, aber das ist sicher nicht jedermanns Sache. Das ist einer der Punkte, vor denen ich im Hinblick auf die Nachfolgefindung Respekt habe.

An welche Herausforderungen denkst Du sonst noch?

Zentral wird es sein, Formen der Organisation und der Zusammenarbeit zu finden, mit denen man die guten Leute – jene, die unsere Haltung vertreten – bei der Stange halten kann. Die Herausforderung entsteht dadurch, dass sich sowohl die langjährigen Mitarbeitenden als auch die jungen wohl fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren können müssen. Wir haben viele altgediente Mitarbeitende mit unverzichtbarem Know-how. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch die jungen, wilden Mitarbeitenden, um Neues anreissen. Für mich ist klar, dass die Firma sich im Zuge des Nachfolgeprozess ziemlich stark verändern wird, was eine gewisse Fragilität mit sich bringt. Wir müssen die Verantwortung im Betrieb weiter nach unten bringen und dafür sorgen, dass die alten Mitarbeitenden die jungen nicht verhindern. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass die jungen Mitarbeitenden nicht die alten frustrieren. Die Bedürfnisse der Menschen sind im Wandel: Mit mehr Teilzeit, Weiterbildungen und Time-outs wird mehr Flexibilität nötig sein als bisher. Wir müssen uns darum ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir in Zukunft unsere Teams organisieren. Auch über andere Megatrends werden wir uns im Nachfolgefindungsprozess intensiv Gedanken machen müssen, zum Beispiel: Was bedeutet CO2 netto null für uns?

Der durch die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts ausgelöste Prozess hat dazu geführt, dass wir uns viel klarer positioniert haben und dadurch sichtbarer sowie begehrenswerter geworden sind.

Du hast vorher die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts angesprochen, die ja nun bereits 10 Jahre zurückliegt. Inwiefern hat das damalige Projekt Euch rückblickend weitergebracht?

Dazu muss ich ein wenig ausholen. Ich habe ein Idealbild vor Augen, das folgendermassen aussieht: Die guten Geschichten entstehen immer dann, wenn man sich auf halbem Weg trifft. Traditionell waren wir als Gipser aber meistens ein blosses Instrument der Architekten, die ihre Ideen umsetzen wollten. Wir mussten den ganzen Weg gehen. Eine wichtige Frage für uns war darum: Wie erreichen wir eine Position, in der wir für einen Auftrag nicht mehr fünfmal auf die Knie müssen?

Der durch die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts ausgelöste Prozess hat dazu geführt, dass wir uns viel klarer positioniert haben und dadurch sichtbarer sowie begehrenswerter geworden sind. Wir haben immer mehr Dinge gemacht, die so am Markt niemand macht, was in der Hektik des Tagesgeschäfts ja nicht einfach ist. Durch unsere Neuentwicklungen konnten wir immer mehr von uns reden machen, bis dann renommierte Architekten anfingen sich bei uns zu melden, weil sie durch Fachzeitschriften auf uns aufmerksam geworden waren. Das war ein Wendepunkt für uns. Heute bewegen wir uns viele näher am Idealbild, das ich vorher geschildert habe: Die Architekten und Projektleiter treffen uns vermehrt auf halbem Weg. Wir sind begehrenswert geworden, weil wir nicht mehr nur Umsetzungsinstrument sind, sondern Inspirationsquelle in einem kreativen Austausch unter Partnern.

So wie die Axt muss auch das Markenprofil von Zeit zu Zeit geschärft werden, um wirksam zu bleiben.

Sind Dir bestimmte Momente aus dem Projekt besonders in Erinnerung geblieben?

Eine Erfahrung ist mir tatsächlich besonders in Erinnerung geblieben: Die meisten Unternehmensberater, die ich wahrnehme, sagen, dass die eigentlichen Inhalte vom Kunden selbst kommen müssen. Das war bei Euch ganz anders. Erstens kamen immer wieder sehr starke Ideen von Euch. Zweitens habt Ihr uns nicht so leicht davonkommen lassen, wenn uns eine Empfehlung nicht auf Anhieb überzeugt hat. Wir wurden gezwungen, ausführlich dagegen zu argumentieren, weil Ihr immer gute Begründungen angeführt habt. Ihr habt nicht nur moderiert, sondern auch argumentiert. Diese Argumentationsprozesse haben uns sehr gutgetan. Unter Eurer Leitung haben wir uns selbst besser kennengelernt, grössere Klarheit gewonnen und Visionen entwickelt. Es war wichtig – wenn auch für Viele ungewohnt – nicht nur IM Unternehmen zu arbeiten, sondern aktiv AM Unternehmen zu arbeiten. Als handwerklicher Betrieb leidet man ja immer ein wenig am Holzfällersyndrom: Keine Zeit, um die Axt zu schleifen, weil man immer am Bäume fällen ist. So wie die Axt muss auch das Markenprofil von Zeit zu Zeit geschärft werden, um wirksam zu bleiben.

Gab es auch etwas, was Du in der Zusammenarbeit als schwierig empfunden hast?

Ich fand es manchmal herausfordernd, meine Leute motiviert zu halten. Für die involvierten Kadermitarbeiter war es sehr anspruchsvoll, die nötige Ruhe zu entwickeln, um neben dem Tagesgeschäft konstruktive Beiträge zum Strategieprozess zu leisten. Ein laufendes Bauprojekt ist sehr absorbierend. Häufig rennt man dem Zeitplan hinterher und kann vieles nicht direkt beeinflussen, was auf der Baustelle passiert. All dies während der Strategieworkshops hinter sich zu lassen, war für die Projektleiter schwierig, weshalb es gelegentlich zu überhasteten Aussagen kam. Sowieso geht es im Bauwesen immer ein bisschen emotional zu und her und es wird viel gestritten.

Für mich ist die damals entwickelte Positionierung eine Sache, die langfristig steht. Obwohl sie zehn Jahre alt ist, ist sie für mich noch aktuell. Ich nehme das Manual immer wieder einmal hervor

Warum ist es Euch dennoch gelungen, «fremde» Ideen anzunehmen und zu realisieren?

Vor allem, weil wir ein gutes Gefühl hatten. Wir haben gemerkt, dass das Fleisch am Knochen hat. Beim Umsetzen wurde Energie freigesetzt und natürlich auch Freude, als man erkennen konnte, dass man damit Wirkung entfaltet. Natürlich konnte nicht alles umgesetzt werden. Da hat uns vielleicht manchmal die Energie gefehlt. Aber grundsätzlich stimmte einfach das Gefühl. Von den damals beteiligten Personen ist ausser mir niemand mehr dabei. Aber auch die Neuen konnten gut an die damals entwickelte Positionierung anschliessen. Für mich ist das eine Sache, die langfristig steht. Obwohl sie zehn Jahre alt ist, ist sie für mich noch aktuell. Ich nehme das Manual immer wieder einmal hervor.

Eine der strategischen Schlüsselinitiativen, die im damaligen Projekt entwickelt wurden, ist ja das «Forum eiszueis» – ein als Leistungserlebniselement konzipiertes Gebäude, das 2017 in Betrieb genommen wurde. Kannst Du erzählen, wie Du den Entstehungsprozess erlebt hast und wie er durch die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts beeinflusst wurde?

Die Motivation, weiter in den Standort zu investieren, war grundsätzlich hoch, weil sich die gesamte Erfolgsgeschichte des Unternehmens seit 1963 hier abgespielt hat. Wie genau das Areal genutzt werden soll, das war für uns vor der Zusammenarbeit mit Euch noch offen – nicht zuletzt, weil wir uns hier eigentlich in einem Wohnquartier befinden. Das Positionierungsprojekt hat zum Entschluss geführt, dass wir etwas brauchen, was unseren Dialog mit den Architekten und Bauherren weiterbringt: Einen Raum mit Atmosphäre, in dem man sich gern aufhält und über die Einsatzmöglichkeiten unserer Techniken austauscht. Es war klar, dass man eine solche Atmosphäre viel besser am jetzigen Standort schaffen kann als etwa in einem Industriegebiet. Umgekehrt hätte der Bau einer zusätzlichen Werkstoffhalle am jetzigen Standort weder zu unserer Weiterentwicklung beigetragen noch in die Umgebung gepasst.

Die im Positionierungsprojekt erarbeiteten Inhalte spielten aber nicht nur eine wichtige Rolle als Auslöser, sondern auch als Erfolgsmassstab: Die konkreten Gebäudeentwürfe wurden durch die Brille der von Euch entwickelten Erfolgsfaktoren evaluiert, was intensive Diskussion mit dem Architekturbüro ausgelöst hat. Es war ein aufwendiger, energieabsorbierender, auch ein teurer Prozess, aber er hat sich gelohnt – denn sonst, hätten wir einfach eine Standardlösung geschaffen. Ohne einen intensiven Prozess ist sowas wie das, was jetzt zustande gekommen ist, nicht wirklich möglich.

Nun stehen wir ja zusammen im «Forum eiszueis» und man erlebt seine räumliche Qualitäten sehr intensiv. Welche Erfahrungen habt Ihr seit der Inbetriebnahme damit gemacht?

«eiszueis» ist zweifellos ein Bauwerk, das die Leute berührt. Ich erlebe kaum jemanden, der sich nicht zu dem Gebäude äussert – meistens sehr positiv. Immer wieder sehe ich auch am Wochenende neugierige Leute um das Gebäude herumstreichen. Solche Gelegenheiten nutze ich natürlich gern, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.

Wenn es uns gelingt, die Leute in der richtigen Phase des Bauprozesses anzusprechen und für ein Gespräch hierherzubringen, dann haben wir eine Konversionsrate von gefühlt 90%.

Inwiefern hilft eiszueins Euch dabei, auf Eurem bereits hohen Niveau noch erfolgreicher zu sein?

Erstens sind wir dank dem Gebäude ins Gespräch gekommen, was unsere Situation im Markt sehr stark verändert hat. Gestern Abend hat zum Beispiel ein Architekt angerufen, der gelinde gesagt kein Stammkunde bei uns ist. «Jetzt habe ich die richtige Bauherrschaft, um zu Euch zu kommen», sagte er. Das wäre ohne eiszueins nicht passiert.

Zweitens: eiszueins hat unsere Abschlusschancen merklich gesteigert. Früher haben wir die Gespräche mit Bauherren und Architekten in einer Umgebung geführt, die uns nicht aktiv unterstützt hat. Jetzt ist das anders. Wenn es uns gelingt, die Leute in der richtigen Phase des Bauprozesses anzusprechen und für ein Gespräch hierherzubringen, dann haben wir eine Konversionsrate von gefühlt 90%. Wenn ein Architekt durch die räumliche Ästhetik des eiszueins dazu inspiriert wird, aktiv über die Stimmung in Gebäuden nachzudenken, ist er viel offener und empfänglicher für das, was wir zu bieten haben. Es entsteht ein kreativer Austausch auf Augenhöhe. Wie schon gesagt: Wo wir früher den grössten Teil des Wegs gehen mussten, um zu einem Auftrag zu kommen, treffen wir uns heute auf halber Strecke mit der Kundschaft.

Welche Wirkung hatte eiszueins intern?

Die Veränderung des internen Arbeitsalltags fiel kleiner aus als erwartet. Klar hatten die Mitarbeitenden Freude am neuen Gebäude, aber die neuen Räume wurden relativ unzeremoniell in Betrieb genommen und alle arbeiten eigentlich weiter wie vorher – was ja auch gut ist.

Was gefällt Dir besonders an dem Gebäude?

Wir haben etwas entwickelt, was als Ensemble in das Quartier passt. Wir konnten dabei ausserordentliche handwerkliche Fähigkeiten zur Anwendung bringen. Mit dem «eiszueis» haben wir etwas geschaffen, was wirklich zu uns passt und unsere Haltung repräsentiert.

Über Kradolfer Gipserhandwerk

Kradolfer Gipserhandwerk wurde 1961 von Leni und Gerhard Kradolfer gegründet und heute von Reto Kradolfer geführt. Das Leistungsangebot wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich und umsichtig weiterentwickelt. Aktuell ist das Unternehmen in drei Geschäftsfeldern tätig: In Ergänzung zu den gängigen Gipserarbeiten ist das Unternehmen spezialisiert auf ornamentale und dekorative Oberflächen sowie auf Restaurierung von historischen Stuck- und Verputzarbeiten.

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