«In unserer Geschäftsführung ist die Kundschaft sehr präsent als Orientierungspunkt»
Interview mit David Strebel von der Thurgauer Kantonalbank
von Thomas Harder und Michel Meliopoulos
David Strebel ist seit sechs Jahren Bereichsleiter Marktleistungen und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Thurgauer Kantonalbank (TKB). Nachdem er in den letzten Jahren mit seinem Team mehrere Veränderungsprozesse in Gang gesetzt hat, verlässt er nun die Bank, um der jüngeren Generation Raum zu geben und sich neuen beruflichen und privaten Projekten zu widmen. Zu diesem Anlass haben wir mit ihm über die vergangene und zukünftige Entwicklung des Bankgeschäfts, die spezifischen Erfolgsfaktoren und Herausforderungen der TKB sowie die Rolle von Swiss Brand Experts bei deren Positionierung gesprochen.
David, Du bist seit über 30 Jahren in der Bankenbranche tätig, bei verschiedenen Institutionen und in verschiedenen Funktionen. Was, würdest Du sagen, ist das zentrale Erfolgsgeheimnis einer Bank?
Weil es riesige Unterschiede zwischen den Geschäftsmodellen und Rollen verschiedener Banken gibt, muss man das so allgemein formulieren, dass es dann im Grunde wieder für Unternehmen aller Branchen gültig ist: Letztlich geht es im Kern darum, langfristig die Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Um es aber doch noch etwas spezifischer zu machen, kann man vielleicht hinzufügen, dass Vertrauen und persönliche Beziehungen eine wichtigere Rolle spielen als etwa im Konsumgüterbereich.
Kannst Du das etwas ausführen?
Wenn es um Geld geht, dann ist Vertrauen das allerhöchste Gut. Für eine Bank heisst das in erster Linie, dass sie eine angemessene Risikopolitik hat, den Kunden in dessen Sinn berät und ihre IT-Systeme im Griff hat. Im Bankengeschäft – und dabei denke ich weniger an Transaktionsabwicklungen, sondern an Kernleistungen wie Kreditvergabe, Vorsorge- und Investitionsberatung – geht man bei der Wahl eines Anbieters eine echte Beziehung ein. Das ist kein One-off-Geschäft und insofern kaum vergleichbar mit der Wahl eines Restaurants oder einer Feriendestination.
Hat die Bedeutung dieses Beziehungsaspekts in den letzten 30 Jahren abgenommen oder zugenommen?
Ich würde sagen, der Beziehungsaspekt ist nach wie vor sehr bedeutend. Nehmen wir das Beispiel Credit Suisse, eine Bank die in den letzten Jahren für viele Negativschlagzeilen gesorgt hat. Was auch immer da Schlechtes geschehen ist, es hat sich offenbar nicht direkt auf die Beziehungen zwischen den Bankkunden und ihren Beratern ausgewirkt, denn sonst würden wir viel mehr Kunden abwandern sehen. So gesehen muss man sagen, dass eine hohe Beraterfluktuation für eine Bank in der Regel gefährlicher ist als ein Skandal auf der Geschäftsleitungsebene.
Es gibt eine interessante Diskrepanz zwischen dem sehr hohen Vertrauen der Menschen in die Banken, bei denen sie Kundin oder Kunde sind, und der weit verbreiteten Grundskepsis gegenüber der gesamten Branche.
Wie hat sich denn das Vertrauen in die Banken Deiner Ansicht nach entwickelt?
Es gibt eine interessante Diskrepanz zwischen dem sehr hohen Vertrauen der Menschen in die Banken, bei denen sie Kundin oder Kunde sind, und der weit verbreiteten Grundskepsis gegenüber der gesamten Branche. Das Vertrauen in die Branche als Ganze hat in den letzten 15 Jahren natürlich gelitten, umgekehrt haben die Banken aber gelernt, besser auf Kundenbedürfnisse einzugehen, was dazu geführt hat, dass die persönlichen Erfahrungen der Kunden sich verbessert haben. Viele Umfragen bestätigen das. Interessanterweise haben die neuen Marktteilnehmer aus dem Digitalbereich, von denen in letzter Zeit viel die Rede war, nicht den Zulauf erhalten, den viele erwartet haben. Viele Leute haben diese neuen Angebote zwar ausprobiert, kamen aber offenbar zum Schluss, dass sie bei ihrer traditionellen Bank eigentlich gar nicht so schlecht bedient sind. Das Schicksal der etablierten Banken liegt in ihren eigenen Händen.
Wie meinst Du, wird die Bankenwelt in 10-15 Jahren aussehen?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Eine innere Stimme sagt mir: So viel wird sich im Grundsatz nicht ändern. Die Einstellungen und Bedürfnisse der Menschen im Zusammenhang mit Geld werden sich nicht wirklich ändern. Ich stelle diesbezüglich auch keinen Unterschied zwischen «Digital Natives» und früheren Kundengenerationen fest. Natürlich wird der Zahlungsverkehr in der Zukunft noch viel stärker digital abgewickelt werden und die Banken werden dabei eine geringere Rolle spielen als früher, aber wie gesagt, das betrachte ich auch nicht als Kern des Bankgeschäfts. Im Kernbereich wird es auch in 10-15 Jahren um Vertrauen und Vertraulichkeit gehen. Der technologische Wandel schreitet weiter voran. An den Grundpfeilern des Bankgeschäfts wird dieser aber nicht rütteln: Die Einstellungen und Bedürfnisse der Menschen sind immer noch die gleichen, wenn es um Geld geht.
Welche Einstellungen und Bedürfnisse sind das?
Natürlich gibt es grosse Unterschiede zwischen den Menschen, aber es gibt eine sehr grosse Gruppe, die sich ungern mit dem Thema Geld auseinandersetzt – da hilft auch die Cafeteria in der Bankfiliale nichts.
Viele Menschen verbringen deutlich mehr Zeit mit der Planung eines einzigen Urlaubs als mit ihrer gesamten Vorsorgeplanung – obwohl sie nicht bestreiten würden, dass die Vorsorgeplanung für ihr Glücklichsein mindestens so wichtig ist.
Das erinnert mich ein wenig an eine Aussage, die der kürzlich verstorbene Werner Kieser in seinen Interviews zu machen pflegte: «Beim Krafttraining geht es genauso viel um Spass wie beim Zähneputzen.»
Das kann ich so unterschreiben. Ich war auch schon bei Kieser Training und es macht wirklich keinen Spass…
«Es macht keinen Spass, aber es macht glücklich», hätte er entgegnet
Und das gilt auch fürs Banking. Da geht es auch nicht um Spass, sondern um die finanziellen Grundlagen fürs Glücklichsein. Viele Menschen verbringen deutlich mehr Zeit mit der Planung eines einzigen Urlaubs als mit ihrer gesamten Vorsorgeplanung – obwohl sie nicht bestreiten würden, dass die Vorsorgeplanung für ihr Glücklichsein mindestens so wichtig ist. Diese Menschen wollen die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld so weit wie möglich delegieren. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, welche Erleichterung viele Kunden zum Ausdruck bringen, wenn wir die Initiative für ihre Vorsorgeplanung übernehmen. Geben wir ihnen dann aber Unterlagen zur Vorbereitung auf ein Beratungsgespräch, lesen sie diese nicht. Sie wollen, dass die Bankberaterin oder der Bankberater es ihnen erklärt. Das zeigt aus meiner Sicht sehr schön, wie zentral die vertrauensvolle, zwischenmenschliche Kunden-Berater-Beziehung für das Bankgeschäft ist.
Wenn eine Bank in einem Schlüsselmoment langfristiges und partnerschaftliches Denken unter Beweis stellt, kann sie sich damit durchaus einmal die Kundentreue mehrerer Generationen sichern.
Wie wird sich die Bedeutung von menschlichen Interaktionen im Bankgeschäft entwickeln?
Ich meine, dass man das schon an der heutigen Situation ablesen kann: Die menschlichen Interaktionen konzentrieren sich immer mehr auf Schlüsselsituationen und haben darum im Durchschnitt auch eine grössere Wirkung. Bei Privatkunden sind das häufig die Momente, in denen etwas schiefgelaufen ist und vonseiten der Bank ein Mensch eingreifen muss. Im Geschäftskundenbereich ist das Spektrum der Schlüsselmomente typischerweise breiter. Jedenfalls hat das Verhalten der Bankangestellten in solchen Momenten sehr langfristige Auswirkungen auf die Kundenbeziehung. Wenn eine Bank in einem Schlüsselmoment langfristiges und partnerschaftliches Denken unter Beweis stellt, kann sie sich damit durchaus einmal die Kundentreue mehrerer Generationen sichern. Im Laufe einer Kundenbeziehung gibt es nicht viele Schlüsselmomente – umso wichtiger ist es, sie zu nutzen.
Kommen wir kurz zu Dir: Darf man sagen, dass Du Banker aus Leidenschaft bist?
Ja, denn im Bankgeschäft kommen zwei Themen zusammen, die mich faszinieren: Die Psychologie und die sich rasant entwickelnde Technologie. Beide Themen interessieren mich in erster Linie aus der Führungsperspektive. Meine Kernaufgabe sehe ich darin, optimale Bedingungen in der Bank zu schaffen, Gutes und Sinnvolles für die Kundschaft zu tun respektive zu schaffen.
Du bist vor sechs Jahren von einer Grossbank zur TKB gestossen. Was hat Dich bei der TKB überrascht?
Überrascht hat mich die Kultur der Offenheit, die ich bei der TKB vorgefunden habe. Wie alle neuen Mitarbeiter wurde ich gleich in die TKB-Familie aufgenommen. Internes Konkurrenzdenken, wie es andernorts häufig anzutreffen ist, gibt es hier nicht. Das hat nicht nur – aber mehr als viele denken – mit einem Entlöhnungssystem zu tun, das kooperatives Verhalten fördert und Egoismus sinnlos macht. Ich habe diese Kultur nicht nur als sehr wohltuend empfunden, sondern auch festgestellt, dass sie zu einem offeneren und vertrauensvolleren Umgang mit der Kundschaft führt.
Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt: Ein weiterer markanter Unterschied zu anderen Banken, die ich von innen erlebt habe, liegt darin, dass die Kundschaft als zentraler Orientierungspunkt auf Geschäftsführungsebene sehr präsent ist. Der Weg der Kundenreaktionen zur Unternehmensspitze ist viel kürzer, was sich natürlich auf die dort getroffenen Entscheidungen auswirkt. Wenn ich mir nur schon die Kriterien anschaue, aufgrund derer in der Geschäftsleitung Entscheidungen getroffen werden, dann liegen da wohl Welten zwischen der TKB und einer Grossbank. Dank unserer Nähe zum Kunden spüren wir sehr schnell, wenn es irgendwo «rumort». Es kann uns darum kaum passieren, dass wir plötzlich richtig neben den Schuhen stehen.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass hinter dem Wort «Kundschaft» eine sehr heterogene Gruppe steht, die sehr unterschiedliche Dienstleistungen von uns bezieht.
Wie gut gelingt es der TKB, sich mit ihrer Kundschaft weiterzuentwickeln?
Das ist ein sehr anspruchsvolles Thema. Man muss sich vergegenwärtigen, dass hinter dem Wort «Kundschaft» eine sehr heterogene Gruppe steht, die sehr unterschiedliche Dienstleistungen von uns bezieht. Worin die TKB wirklich stark ist, ist der authentische und ehrliche Umgang mit der Kundschaft. In den Momenten, die wirklich wichtig sind, machen wir die Sache recht bis sehr gut. Wie bereits angedeutet, ist dies auf eine besondere interne Kultur zurückzuführen, die man aktiv pflegen muss.
Schwieriger wird es für uns, wenn einzelne Kundschaftsgruppen neue Leistungen verlangen, die uns sehr teuer zu stehen kommen, solange wir sie nicht im grossen Massstab anbieten können. Für kleinere Banken ist häufig klar, dass sie sich sowas nicht leisten können, für grössere Banken ist es wiederum keine Frage, dass sie es können. Für eine mittelgrosse Universalbank wie uns sind solche Entscheidungen häufig viel anspruchsvoller: In welchen Fällen können wir es uns leisten, nur zu den «late followers» zu gehören, in welchen Fällen nicht?
Kannst Du ein Beispiel nennen?
Ich denke, TWINT ist ein gutes Beispiel, weil die Einführung für eine Bank wie die TKB wirklich teuer ist. Es gab einige Kunden, welche früh eine TWINT-Integration gefordert haben, aber es dauerte eine gewisse Zeit, bis wir uns dazu durchringen konnten. Andere Banken unserer Grössenordnung haben verzichtet. Es wird auch in Zukunft immer wieder solche Fälle geben, in denen man sich überlegen muss, wieviel Profitabilitätseinbussen man in Kauf nehmen kann, um die Bedürfnisse einer vergleichsweise kleinen Kundengruppe optimal zu erfüllen.
Für die TKB bedeutet die zunehmende Auslagerung von Prozessen und Dienstleistungen sowohl kulturell als auch technologisch eine grosse Umstellung, quasi vom Handwerksbetrieb zum Handelsbetrieb.
Welche weiteren Herausforderungen siehst Du auf die TKB zukommen?
Neben dem hohen Investitionsbedarf im Digitalbereich beschäftigt uns bereits heute die zunehmende Auslagerung von Prozessen und Dienstleistungen. Wir sind nicht gross genug, um wie früher alles selbst zu machen. Unsere Rolle verlagert sich darauf, die richtigen Partner zu finden und nachhaltige Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Das ist der einzige Weg, um auch bei schrumpfendem Gestaltungsspielraum das gewünschte Service-Niveau zu halten. Für die TKB bedeutet das sowohl kulturell als auch technologisch eine grosse Umstellung, quasi vom Handwerksbetrieb zum Handelsbetrieb.
Welchen Handlungsbedarf siehst Du im Bereich der Markenentwicklung?
Unsere Kundschaft hat bereits ein sehr hohes Vertrauen in die TKB. Bedarf zur Stärkung der Marke TKB sehe ich derzeit eher bei Nicht-Kunden und insbesondere bei jungen Menschen. Bei vielen von denen sind wir einfach ein Neutrum. Ich denke auch, dass es sich lohnt, in die Markenentwicklung zu investieren, denn je breiter das digitale Angebot wird, umso wichtiger wird die Marke.
Markenwahrnehmung ist im Kern Leistungswahrnehmung. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke.
Wie schätzt Du den Beitrag von Swiss Brand Experts zur Markenführung der TKB ein?
Die Arbeit von Swiss Brand Experts hat wesentlich dazu geführt, dass sich in der TKB ein ganzheitliches und leistungsbasiertes Markenverständnis durchgesetzt hat: Marke wird nicht an der Oberfläche gemacht, sondern durch die Leistungen aller Teile des Unternehmens. Markenwahrnehmung ist im Kern Leistungswahrnehmung. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke.
Darüber hinaus kann ich Euch das Kompliment machen, dass die Positionierungselemente, welche Ihr für uns entwickelt habt, auch nach vielen Jahren noch ein wichtiger Kompass bei Investitionen, Produktentwicklungen und anderen Entscheidungen sind. Zum Beispiel wurden anlässlich unseres 150jährigen Jubiläums Geschenke an alle Thurgauerinnen und Thurgauer gemacht – statt nur für unsere Kundschaft – weil ein zentrales Element der Positionierung eben besagt, dass wir eine Bank für den gesamten Kanton Thurgau sind. Diese Positionierung hat sich insgesamt als wirklich nachhaltig erwiesen – sie wurde nicht einfach durch das Tun der nächsten Beratungsfirma wieder ausgehebelt. So gesehen darf man sagen: Die Zusammenarbeit mit Swiss Brand Experts war nicht bloss ein «Projekt».
Was wünscht Du Dir für die Zukunft der TKB?
Ich hoffe, dass die TKB auch zukünftig eine umfassende Rolle für den Kanton Thurgau spielen kann und ihr «Home Turf» verteidigt. Aus meiner Sicht ist die Daseinsberechtigung der TKB klar an diese umfassende Rolle gebunden. Mein Credo war darum immer: «Lasst uns den Thurgau mit allem verteidigen, was wir haben.» Die TKB sollte diesen Fokus wahren und nicht in gesamtschweizerische Übungen abdriften. Umgekehrt wünsche ich mir, dass die Thurgauerinnen und Thurgauer anerkennen, was sie an der TKB haben.
Über die Thurgauer Kantonalbank
Mit über 700 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mehr als 28 Milliarden Franken zählt die Thurgauer Kantonalbank (TKB) zu den grösseren Banken der Schweiz. Das börsenkotierte Finanzinstitut ist Marktführer im Thurgau und offeriert umfassende Bankdienstleistungen für Private, Gewerbe, Firmen und die öffentliche Hand. Neben dem flächendeckenden Netz von 29 Geschäftsstellen im Kanton stehen den Kundinnen und Kunden für die Abwicklung von Bankgeschäften 80 Bancomaten, verschiedene elektronische Kanäle und das Beratungscenter in Weinfelden zur Verfügung. Die Kantonalbank zählt zu den grössten Arbeitgebern im Thurgau. Sie investiert überdurchschnittlich in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden und bietet rund 50 Ausbildungsplätze an. Auch auf gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Ebene setzt sich die TKB für einen vielfältigen Kanton ein. Mit ihrem Sponsoring-Engagement und als Mäzenin unterstützt sie verschiedene Veranstaltungen und Projekte und tritt selbst als Organisatorin von Informations-, Wirtschafts- und Kulturanlässen auf.
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