«Positionierung und Strategie sind für eine Stadt heute unerlässlich.»

Interview mit Dr. Daniel Gut, 16 Jahre Stadtpräsident Buchs im Alpenrheintal

Interview: Thomas Harder, CEO/Inhaber Swiss Brand Experts
Redaktion: Simon Kümin, Simon Kümin GmbH

Herr Dr. Daniel Gut, Stadtpräsident Stadt Buchs

16 Jahre Stadtpräsident Buchs im Alpentheintal, Dr. Daniel Gut

Daniel Gut, 2007 wurdest Du in Buchs zum Präsidenten gewählt. Wo stand die Gemeinde damals und welche Pläne hattest Du?

Zuerst einmal muss ich betonen, dass ich eine sehr komfortable Ausgangslage hatte. Meinen Vorgänger Ernst Hanselmann habe ich sehr geschätzt: Er hinterliess eine bestens aufgestellte Gemeinde. Mir persönlich war – und ist auch heute noch – die Bildung ein grosses Anliegen. Das liegt auch an meinem beruflichen Hintergrund. Leider leidet das ganze Rheintal traditionell an einem so genannten «Brain Drain», dem Abgang talentierter Fachkräfte. Diesen in einen «Brain Gain» zu verwandeln war mir ein grosses Anliegen.

Eine weitere, im wahrsten Sinne des Wortes, zentrale Frage war die, ob Buchs zur Stadt werden und welche Rolle die damalige Gemeinde im ganzen Werdenberg einnehmen sollte. Damit verknüpft ist natürlich auch das kulturelle Leben und eine florierende Wirtschaft. Während die Kultur für mich eine wichtige politische Aufgabe ist, braucht die Wirtschaft vor allem klare Rahmenbedingungen. Unternehmen wissen selbst, was sie wollen und welche Ziele sie haben. Da braucht es also «nur» eine übergeordnete Steuerung im Einklang mit den Bedürfnissen der Bevölkerung.

Ebenfalls beschäftigten uns von Anfang an ortsplanerische und bauliche Fragen. Mit einem Masterplan legten wir hier den Grundstein für einige bedeutende Weiterentwicklungen. Daraus entstand zum Beispiel die Idee für den späteren Hightech Campus. Zudem revidierten wir den Richtplan und legten Hochhausstandorte fest.

Zusammenfassend kann ich sagen: Buchs war damals schon eine lebendige und diverse Gemeinde, unsere Herausforderungen waren aber auch vielseitig.

Wir wollten den Brain Drain im Tal in einen Brain Gain verwandeln.

Wenn Du zurückblickst, wieviel ist bei einer Stadtentwicklung konstant, wieviel Veränderung?

Zuerst einmal muss ich dazu etwas ausführen: Als politische Behörde steckt man in Abstimmung mit der Bevölkerung einen gestalterischen Rahmen und überlässt dann – wo sinnvoll und möglich – den Unternehmen und Privatpersonen die Umsetzung ihrer Bedürfnisse. Wir müssen also nicht alles selbst in die Hand nehmen, sondern oftmals «nur» den Anstoss geben oder ideale Bedingungen schaffen.

Rückblickend betrachtet war es so, dass jede Entwicklung ihre eigene Dynamik hatte. Gewisse Projekte und Prozesse verliefen sehr stetig und harmonisch. Ich denke, die wirtschaftliche Entwicklung ist dazu ein gutes Beispiel.

Viel disruptiver war die rasche Transformation von der Gemeinde zur Stadt. Diese Idee stiess zuerst auf Skepsis, auch im Gemeinderat. Es war keine von langer Hand geplante Idee – im Gegenteil. Der Vorentscheid des Gemeinderates wurde erstmals an einer Bürgerveranstaltung unter dem Traktandenpunkt «Varia» vorgestellt, was einige Menschen später als mutig bezeichneten. Doch die grosse Opposition blieb aus, auch weil wir viele Gegenargumente von Anfang an überzeugend entkräften konnten. Für mich sehr schön war, dass der Wechsel von der Gemeinde zur Stadt in der Gemeindeordnung von der Bürgerschaft später einstimmig genehmigt wurde.

Welche Vorteil hat es für Buchs, eine Stadt zu sein?

Wir sind nun offiziell das, was wir zuvor insgeheim bereits waren: das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum im St. Galler Alpenrheintal. Somit kommt dieser Wandel von Innen heraus und ist nichts Künstliches.

Er bringt einige klare Vorteile: Als Stadt werden wir im Kanton und von den kantonalen Stellen besser und klarer wahrgenommen. Man hört uns zu, wenn wir ein Anliegen haben. Inzwischen sind wir die fünftstädtischste Stadt in St. Gallen. Gegen Aussen hilft uns die Bezeichnung «Stadt» also.

Wir werden heute im Kanton St. Gallen und darüber hinaus
besser und klarer wahrgenommen.

Was war sonst noch erfüllend in diesem Amt?

Bevor ich Buchser Gemeindepräsident wurde, war ich beim Bund in einer leitenden Funktion. Dort hatte ich zwar Einfluss und eine wichtige Aufgabe, ich war aber nur ein kleiner Teil in einer riesigen Maschine. Prozesse waren langsam und mit Eigeninitiative konnte ich nicht immer bewirken, was ich wollte.

Im Vergleich dazu bietet eine Gemeinde sehr grossen Gestaltungsspielraum und unzählige Möglichkeiten. Ich konnte mich vom ersten Tag an einbringen und spürte die Auswirkungen meiner Arbeit direkt. Das hat etwas sehr Befriedigendes. Auch schätzte ich es sehr, dass ich stets in Kontakt mit der Bevölkerung war und laufend Rückmeldungen erhielt – auch wenn diese natürlich nicht immer nur positiv waren!

Stadtpräsident ist kein gewöhnlicher Job, Stadtpräsident ist eine Berufung! Ich bin dankbar, dass ich diese Rolle so lange ausüben durfte.

Über die Stadt Buchs im Rheintal

Mit gut 13’500 Einwohnerinnen und Einwohnern gehört Buchs zu den grösseren Gemeinden des Kantons St. Gallen. Buchs prägt das St. Galler Rheintal, die zweitwichtigste Exportregion der ganzen Schweiz. Buchs vereint wirtschaftliche Attraktivität mit Natur und Erholungsraum, städtische Ballung mit aktivem Vereinsleben sowie Bildung mit Erholung. Diese attraktive Mischung kombiniert mit einer geschärften strategischen Ausrichtung hat der Stadt in den letzten Jahren gesundes, nachhaltiges Wachstum beschert. Buchs versteht sich als Stadt der Zukunft, der Engagierten und der Offenheit.

Und wenn du an weitere Projekte denkst?

Stolz bin ich auf die Entwicklung des Schlosses Werdenberg. Dieses Kleinod an wunderbarer Lage war früher ein etwas in die Jahre gekommenes Museum. Wir haben es geschafft, dass daraus ein lebendiges Kulturzentrum für die ganze Region wurde – mit vielen Kulturveranstaltungen, einem Bistro und natürlich weiterhin dem Museumsbetrieb.

Ebenso freut es mich, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Ab Dezember 2024 verkehren zwischen St. Gallen und Sargans Schnellzüge im Halbstundentakt – mit Anbindung auch an Zürich –, was Buchs und die Region als Wohn- und Arbeitsort noch attraktiver macht.

Ich weiss noch, wie wir uns damals bei der SBB-Spitze dafür eingesetzt haben, dass jeder Intercity von Zürich nach Chur in Sargans hält, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Der Ausbau der Rheintal-Strecke ist auch das Resultat eines intensiven Kampfes Vieler und zeigt klar, dass man als Stadt vernetzt denken muss. Buchs als Zentrum zwischen Liechtenstein, Toggenburg, St. Galler Oberland und dem unteren Rheintal kann einiges bewirken.

Für viele Unternehmen ist es heute selbstverständlich, sich klar zu positionieren und eine Strategie festzulegen. Wie wichtig ist dies für eine Stadt?

Ausserordentlich wichtig, würde ich sagen. Man hat ja operativ immer genug zu tun und kann sich leider schnell und einfach in Details verlieren. Wenn dies passiert, verpasst man es aber, grosse Entwicklungen mitzugestalten. Gerade für den Stadtpräsidenten ist es meiner Meinung unerlässlich, sich mit strategischen Fragen zu beschäftigen. Dazu wird man schliesslich gewählt. Im Fussball kann ein Team ja auch nur dann gut spielen, wenn der Coach einen Plan hat.

Dazu reicht ein Legislaturplan für mich übrigens nicht, denn dieser ist kurzfristig. Grosse Entwicklungen müssen über Jahrzehnte gedacht und geplant werden.

Wir haben uns entwickelt. Von der Gemeinde zur Stadt.

Was sind Beispiele für strategische Arbeiten, mit denen Ihr Euch im Stadtrat beschäftigt habt?

Einerseits erarbeiteten wir zwei Stadtentwicklungspläne in Zusammenarbeit mit Euch. Dort konnten wir 2014 und 2022 jeweils den Ist-Zustand erfassen und die Chancen, Potenziale, aber auch Risiken für die Zukunft erfassen. Aus der Vision leiteten wir dann konkrete Umsetzungen ab. Dies half uns, unsere Stadt aus der Vogelperspektive zu betrachten und im Alltag Massnahmen zu priorisieren.

Ebenfalls gleisten wir zusammen die Strategie für den Hightech Campus auf. So schafften wir es, aus dem Areal mit seinen verschiedenen Schulen (Internationale Schule Rheintal, Fachhochschule OST Buchs, Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs Sargans, Innovationszentrum Rhysearch, Switzerland Innovation Park Ost und Zentrum Präzisionsindustrie Alpenrheintal) eine gemeinsame, differenzierende Marke zu entwickeln. Dies prägt die Wahrnehmung des gesamten Bildungsstandortes Buchs und hilft uns, Studierende und Arbeitskräfte zu gewinnen.

Hierbei hast du mit Swiss Brand Experts zusammengearbeitet. Wieso hast du uns diese anspruchsvollen Aufgaben anvertraut?

Ich wurde per Zufall auf euch aufmerksam. An einem Gemeindetag in St. Gallen hat Thomas Harder über strategische Prozesse und Entwicklungen referiert. Was er erzählte, machte mir Eindruck und leuchtete mir ein. Deshalb sprach ich ihn an und schlug später dem Gemeinderat vor, mit Swiss Brand Experts eine Strategie für Buchs zu entwickeln. Ihr habt uns dann von Anfang an mit eurer Denk- und Arbeitsweise überzeugt.

Was zeichnet Swiss Brands Experts aus?

Für mich sind es mehrere Faktoren. Zuerst einmal habt ihr uns stets wertvolle Aussenperspektiven gegeben. Und zwar nicht nur eure eigene Sichtweise, sondern über die zahlreichen Interviews, die ihr geführt habt, auch die einer breiteren Bevölkerung. Dies hat uns immer wieder geholfen, uns aufs Wesentliche zu fokussieren.

Dann war es die gesamte Zusammenarbeit, die mich sehr überzeugt. Ihr habt uns nie einfach pfannenfertige Lösungen vorgesetzt, sondern es war ein gemeinsamer Prozess. Ihr habt Fragen gestellt, unsere Antworten hinterfragt und wertvolle Anstösse gegeben. Es war ein Austausch auf Augenhöhe und eine gemeinsame Reise. Wir wissen jetzt besser, wer wir sind, wohin wir wollen und wie wir diese Ziele erreichen.

Weil ihr uns immer wieder gesagt habt, wo unsere Stärken liegen, sind wir im Laufe der Zusammenarbeit auch stolzer und selbstbewusster geworden. Dass wir uns heute als «Stadt Buchs im Alpenrheintal» bezeichnen, wäre 2007 noch undenkbar gewesen!

Aus praktischer Sicht wichtig war, dass wir gemeinsam konkrete Ziele und Teilziele erarbeitet haben. So prüften wir anfänglich auch jedes Jahr, wo wir stehen und ob wir «auf Kurs» sind. Diese Reflektion war äusserst wertvoll für uns.

Zuguterletzt spielte auch der persönliche Aspekt eine Rolle. Thomas Harder mit seiner reflektierten, ruhigen und sehr ehrlichen Art hat sich sehr viel Zeit genommen und ist wirklich in die Tiefe gegangen.

Die Arbeit von Swiss Brand Experts hat dazu geführt, dass wir klare Ziele haben.

Was ist heute anders als 2007?

Als erstes fällt mir dazu spontan die Nachhaltigkeit ein, die heute zurecht ein wichtiges Thema ist und der wir im Rückblick meiner Meinung nach in der Vergangenheit eher zu wenig Beachtung geschenkt haben. Heute herrscht darüber auch in Buchs Einigkeit. Als Gemeinde haben wir einige Hebel, um die Gesellschaft und Wirtschaft umweltfreundlicher mitzugestalten. Dazu gehören zum Beispiel das Freiraum- und das Langsamverkehrskonzept, aber auch bauliche Diskussionen.

Warum hast du dich zum Rücktritt entschieden?

Ich darf auf 16 schöne, abwechslungsreiche und sehr engagierte Jahre zurückblicken. Das Privileg, im Austausch mit der Bevölkerung mir wichtige Ziele zu erreichen, hat mir viel gegeben. Für die konstruktive und freundschaftliche Zusammenarbeit im Team des Stadtrates und mit meinen Mitarbeitenden danke ich allen – das werde ich vermissen. Aber gerade der traurige Krieg in der Ukraine hat auch bei mir dazu geführt, dass ich mir fundamentale Fragen gestellt habe. Ich habe gemerkt, dass die Zeit reif ist für etwas Neues. Ausserdem ist die Stadt ja gut aufgestellt und somit in einem guten Zustand für eine Stabsübergabe.

Wie geht es jetzt bei dir weiter?

Ich geniesse es sehr, eine unverplante Zeit vor mir zu haben. Eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg in Spanien steht an, darauf freue ich mich sehr. Danach sehe ich, was das Leben mir als Nächstes bringt.

Swiss Brand Experts wünscht Daniel Gut viel Erfolg bei seinen persönlichen Projekten und bedankt sich herzlichst für die langjährige Zusammenarbeit!

 

Thomas Harder (l.) und Daniel Gut (r.) zelebrieren das abgeschlossene Projekt

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